„Die SWP stecken voller Potenziale“

Stadtwerke-Geschäftsführer Herbert Marquard feiert Jubiläum: Seit fünf Jahren steht er an der Spitze der SWP. Im Interview blickt er auf turbulente Phasen zurück, erläutert sein Erfolgsrezept und schaut trotz Kapriolen auf dem Energiemarkt mit Zuversicht in die Zukunft.

Herr Marquard, als Sie vor rund fünf Jahren in Dresden den Anruf bekamen, man benötige bei den SWP Ihre Hilfe, hatten Sie bis zu diesem Zeitpunkt jemals etwas von Pforzheim gehört?

Pforzheim ist mir tatsächlich ein Begriff gewesen, da ich in jungen Jahren immer wieder hier in der Gegend war. Das hatte zum einen mit familiären Verbindungen zu tun, zum anderen mit Bekanntschaften aus dem hiesigen Raum, die ich beim Segeln am Bodensee kennengelernt habe. Und ich habe in den 1980er Jahren meine alte Taschenuhr einmal nach Pforzheim zur Reparatur gebracht.

 

Als Sie der Ruf aus Pforzheim ereilte, waren Sie eigentlich seit Kurzem in Rente. Was hat Sie dazu bewogen, noch einmal ins Berufsleben einzusteigen?

Ehrlicherweise muss man sagen: Dass ich ganz aufhöre und nur noch daheimsitze und Rosen züchte, war ohnehin nicht geplant. Aus diesem Grund habe ich Ende 2018 ein Unternehmen gegründet, um als Berater tätig zu sein. So kam damals auch der Kontakt mit den SWP zustande, denn die erste Idee war, dass ich hier nur beratend tätig bin. Allerdings hatte sich dann schnell herausgestellt, wie tiefgreifend die Probleme lagen. Somit war klar: Ich komme entweder ganz oder gar nicht: Und zwar als Interims-Geschäftsführer für ein Jahr.

 

Aus einem kurzfristig angedachten „Feuerwehr-Einsatz“ sind inzwischen fünf höchst erfolgreiche Jahre geworden. Hätten Sie das für möglich gehalten?

Wenn damals jemand gesagt hätte: „Du bleibst da, bis du 70 bist“, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt. Mein Plan war, für ein Jahr zu bleiben und den Weg aufzuzeigen, wie man das Unternehmen wieder auf gesunde Beine stellt. Denn die Potenziale, die hier schlummern, aber zu jener Zeit vom damaligen Management nicht gehoben wurden, habe ich sofort erkannt. Dass aus dem kurzzeitig angedachten Engagement inzwischen fünf Jahre wurden, liegt auch an den Umständen: Erst kam Corona, dann kamen die Energiekrise und der Krieg in der Ukraine. Wie wir diese Herausforderungen gemeinsam gemeistert haben, macht mich stolz. Und wenn man sieht, wo die SWP heute stehen, dann ist das eine unheimliche Erfolgsgeschichte. 

 

Was sind im Rückblick die wichtigsten Weichen gewesen, die Sie nach ihrem Amtsantritt gestellt haben?

Die neue Organisationsstruktur ist sicherlich ein ganz wesentlicher Faktor gewesen. Sprich: Die Stadtwerke so aufzustellen, dass effizient und sinnvoll gearbeitet werden kann. Wichtig war in diesem Zusammenhang, eine Unternehmensstrategie zu etablieren, die ein erfolgreiches energiewirtschaftliches Handeln ermöglicht. All dies war verbunden mit den Fragen: Wo wollen wir hin, was müssen wir tun, wie wollen wir die Zukunft gestalten? Grundlage all dessen ist eine gute Unternehmenskultur. Dafür ist es wichtig gewesen, zunächst die Menschen und das Umfeld kennenzulernen, also Mitarbeiter, Aufsichtsrat und Stadtverwaltung. Dann ging es darum, die Beschaffung neu zu strukturieren und mit dem ebenfalls neu aufgestellten Vertrieb zu verschmelzen. Ziel war es nicht mehr, hohe Umsätze zu generieren, sondern Deckungsbeiträge zu erzielen. Um dies zu erreichen, lautete das Credo: Weg vom bundesweiten Vertrieb mit hohen Risiken, hin zu einer Konzentration auf den Heimatmarkt. Ebenso elementar war die Eingliederung des Heizkraftwerks, das damals ja als eigenständige GmbH lief. Diese ganzen Schritte waren enorm wichtig, um unseren Aufgaben gerecht werden zu können: nämlich als sicherer Versorger und als Gestalter der Wärmewende wirken zu können.

 

Aus Sicht der Belegschaft besonders erwähnenswert: Eine der ursprünglichen Ideen zur Sanierung der SWP lautete, massiv Personal zu entlassen. Genau das Gegenteil ist eingetreten.

Sobald ein Unternehmen in Schieflage gerät, greifen oft die immergleichen Reflexe: Es wird vehement gefordert, Kosten zu sparen – und zwar zu Lasten der Belegschaft. Ich habe damals gleich gesagt: Wenn es das Ziel ist, hier erst einmal Leute rauszuschmeißen, dann komme ich erst gar nicht. Mir war klar, dass man die SWP auf anderen Wegen retten kann, und am Ende haben mir die Gesellschafter vertraut.

 

Wo sehen Sie aktuell die wichtigsten Handlungsfelder?

Wir wollen die Ziele, die wir erreicht haben, konsolidieren und dabei neue Vertriebsfelder entwickeln. Die Wärme- und Energiewende kostet uns hohe Investitionen. Glücklicherweise haben wir inzwischen wieder glänzende Finanzkennzahlen, was uns hier Spielräume garantiert. Man darf ja nicht vergessen, wo die SWP herkommen: Vor fünf Jahren waren wir nicht bundesbankfähig! Das bedeutet, dass die Bundesbank davon abgeraten hat, uns Kredite zu gewähren. Das hat sich inzwischen radikal gewandelt. Somit können wir mit Hilfe der inzwischen wieder erzielten Gewinne die Mammutthemen wie den Ausbau der Fernwärme und die Transformation in eine CO2-neutrale Zukunft selbstbewusst angehen. Wir dürfen dabei aber nie die Wirtschaftlichkeit aus den Augen verlieren, denn eine finanzielle Schieflage wollen und dürfen wir uns nicht wieder erlauben.

 

Besonders wichtig ist Ihnen eine gesunde Unternehmenskultur. Hier haben Sie große Anstrengungen unternommen, um den „Spirit“ im Unternehmen zu verändern und unterstützen entsprechende Maßnahmen bis heute.

Unternehmenskultur bedeutet ja in erster Linie: Wie wollen wir miteinander umgehen, welche Werte verbinden uns? Eine gesunde Unternehmenskultur ist das Fundament, um erfolgreich zu sein. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Und dazu gehört auch: Guten Mitarbeitern darf man nicht nur auf die Schulter klopfen, man muss ihnen auch aufs Portemonnaie klopfen. Wertschätzung ist das höchste Gut im Umgang zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

 

Der wirtschaftliche Erfolg der SWP in den vergangenen Jahren ist trotz großer Herausforderungen wie Corona und Ukraine-Krieg beispielhaft. Kann dieser Trend weiter anhalten?

Was wir in den vergangenen Jahren zusammen erreicht haben, macht mich sehr froh und zeigt, dass die große Kraftanstrengung, die dem Ganzen zugrunde liegt, von Erfolg gekrönt war. Wir haben es geschafft, die Potenziale der SWP zu erkennen, zu heben und zu nutzen. Nun geht es darum, diese Erfolge zu konsolidieren und – wie ich immer gerne sage – Beton dran zu kippen, damit dies auch so bleibt. Man darf nicht vergessen: Mittelfristig verlieren wir die Sparte Gas. Hier bauen wir schon heute keine neuen Netze mehr. Dafür wird das Themenfeld Glasfaser immer wichtiger, genauso wie die Sparten Fern- und Nahwärme, voraussichtlich in Zukunft mit dem Einsatz von Wasserstoff. Ich bin daher zuversichtlich, dass der wirtschaftliche Erfolg der SWP anhalten wird. Um dies zu garantieren, plädiere ich dafür, dass wir uns in allen Belangen weiter professionalisieren. Von anderen Stadtwerken kenne ich es beispielsweise so, dass der Aufsichtsrat neben lokalen Vertretern auch mit Experten von außerhalb verstärkt wird. Das wäre in meinen Augen auch für die SWP eine lohnenswerte Überlegung, da die Komplexität energiewirtschaftlicher Themen schon heute enorm ist und weiter zunehmen wird. Es ist für mich daher auch zwingend notwendig, dass die Geschäftsführung eines Stadtwerks mit Fachleuten aus der Energiewirtschaft besetzt wird.

 

Unter Ihrer Führung wurden etliche wegweisende Neuerungen eingeführt wie die Möglichkeit zum Mobilen Arbeiten oder die Vier-Tage-Woche FLEX, bei der alle zwei Wochen ein freier Tag gewährt wird. Die SWP gelten hier branchenweit als Vorreiter. Hinter diesen Entscheidungen steht auch die Erkenntnis, dass ein Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels für Top-Leute attraktiv bleiben muss.

Ponyhof und Hängematte werden wir trotzdem nicht anschaffen (lacht). Aber es stimmt natürlich, dass man als modernes Unternehmen Anreize schaffen muss, um Topleute zu bekommen und auch zu halten. Wir haben mit dem Mobilen Arbeiten sehr gute Erfahrungen gemacht und sehen auch, dass die Mitarbeiter die Flexibilität, die ein Wechsel zwischen Büro und Mobilem Arbeiten mit sich bringt, enorm schätzen. Ähnliche positive Effekte wünschen wir uns nun durch den schrittweisen Umstieg auf die Vier-Tage-Woche. Auch hier heißt es wieder: Potenziale heben! Wir möchten schauen, wo wir noch effizienter werden können und wie es uns gelingt, noch besser zusammenzuarbeiten. In Kombination mit unseren vielseitigen Sozialleistungen bieten wir ein Gesamtpaket, dass sich wahrlich sehen lassen kann und das im Endeffekt dazu führt, dass die Menschen gerne bei uns arbeiten.

 

Wie sehen Sie die SWP aktuell personell aufgestellt und in welche Richtung soll sich das Unternehmen hier entwickeln?

Seit meinem Antritt vor fünf Jahren haben wir rund 100 Mitarbeiter mehr als damals und bewegen uns nun in Richtung 600 Angestellte. Dieser Personalaufbau ist auch wichtig, wenn man sich vor Augen führt, dass unsere Kunden beispielsweise einen guten Service erwarten. Gleichzeitig steigt die Zahl der Aufgaben und Projekte. Man denke an das Geothermie-Vorhaben in Würm oder den Umbau des Kohlebunkers neben unserem Heizkraftwerk, wo künftig ein Rechenzentrum entstehen soll, dessen Abwärme unserem Fernwärmenetz zugutekommen soll. Immer wichtiger werden auch Kooperationen mit Gemeinden im Enzkreis. Daher ist es wichtig, dass wir uns entsprechend personell aufstellen, um all diese Aufgaben bewältigen zu können.

 

Lassen Sie uns zum Abschluss des Gesprächs noch einen Blick in die Glaskugel werfen: Wohin werden sich die Energiepreise entwickeln?

Ich vermute, dass die Preise nicht mehr auf das Niveau, das wir vor Corona und Ukraine-Krieg hatten, zurückfallen werden. Aber das ist im Augenblick sehr schwer zu sagen. Die Entwicklungen, die wir in den vergangenen Monaten in der Energiebranche gesehen haben und die auch aktuell noch herausfordernd sind, gehen auch auf Entscheidungen der Bundesregierung zurück. Diese möchte bekanntermaßen Energiearten wie Gas und Kohle verdrängen und hat die Atomkraft abgeschafft. Wir sind aber zuversichtlich, dass die ganz enormen Preis-Ausschläge, die wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, nicht noch einmal kommen. Die Umstellung auf Wasserstoff ist aber beispielsweise noch mit sehr vielen Fragezeichen versehen: Neben der Sicherstellung der benötigten Wasserstoff-Mengen haben wir auch noch die schwierige Thematik hinsichtlich der Verteilung. Was wir allerdings schon heute sagen können: Wir tun in Pforzheim vieles, um unsere Kunden vor extremen Preisen zu schützen: Beim Wasser beispielsweise werden wir den Eigen-Anteil stärken, sodass wir unabhängiger von der Bodensee-Wasserversorgung werden. Und auch im Bereich der Fernwärme werden wir mittelfristig wieder eine Entspannung sehen.

 

Sie selbst werden in diesem Sommer 70 Jahre alt und blicken auf eine immense Erfahrung in der Energiewirtschaft zurück. Ihr Vertrag läuft aktuell bis Frühsommer 2025, gibt es Pläne für die Zeit danach?

Dazu kann ich eine kleine Geschichte erzählen: Vor einiger Zeit habe ich meinen Arzt gefragt, was ich denn tun müsse, um 100 Jahre alt zu werden. Da sagte er zu mir: „Hören Sie bloß nicht auf zu arbeiten!“ Nun ist es natürlich so, dass ein gesunder Lebensstil und eine Grundzufriedenheit auch hinzukommen sollten, um ein hohes Alter zu erreichen. Aber eine sinnvolle Beschäftigung spielt laut Ärzten und anderen klugen Leuten eine immense Rolle. Den Begriff Arbeit kann man glücklicherweise weit fassen und es muss ab einem gewissen Alter natürlich auch keine 100-Prozent-Anstellung mehr sein. Generell bin ich jedoch kein Mensch, der sich nur noch in den Schaukelstuhl setzen möchte oder der zwölf Monate im Jahr auf Reisen geht. Irgendetwas werde ich also auch in Zukunft noch arbeiten. Aber was und in welcher Form, weiß ich heute noch nicht. Wie heißt es so schön: Schaun wir mal.

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