Mit Vollgas aus der Kohle
Schon am 21. April 2021 war es so weit – still und heimlich haben sich die Stadtwerke Pforzheim (SWP) von der Kohle als Energiequelle verabschiedet. Bereits seit Dezember laufen die fünf neuen Gasmotoren im Heizkraftwerk warm. Zusammen bringen die Motoren es auf 70.000 Pferdestärken, die ab sofort ein wichtiger Teil der Fernwärme- und Stromversorgung für die Stadt am Tor zum Nordschwarzwald sind. Zu Spitzenlastzeiten werden so rund 52 Megawatt Wärme und Strom erzeugt und jährlich etwa 35.000 Tonnen CO2 eingespart.
Damit haben die SWP eine hochmoderne Ergänzung zum bereits bestehenden Biomasseblock gefunden, der seit 2004 ausschließlich Biomasse verbrennt.
Mit der Einweihung der Anlage im Juni 2021 ist somit auch der Kohleausstieg für die Stadt Pforzheim real geworden – rund 100 Jahre lang wurde im „HKW“ Steinkohle verheizt.
Die größte Heizung der Stadt – mit Vorbildcharakter
Mit der größten Heizung der Stadt bieten die SWP nun ein umweltschonendes Angebot einer hocheffizienten Fernwärmeinfrastruktur. Durch Kraft-Wärme-Kopplung wird nicht nur Strom erzeugt, sondern zeitgleich die entstehende Abwärme als Fernwärme genutzt. So erzielt das moderne HKW einen Wirkungsgrad von rund 96 %. Mit der gesteigerten Effizienz muss rund 33 % weniger an Primärenergie verbraucht werden. Nicht nur Strom, auch Fernwärme für etwa 20.000 Haushalte werden fortan umweltschonend am Enzauenpark erzeugt: Denn neben der CO2-Einsparung werden auch alle Grenzwerte wie bspw. die von Stickoxid und Kohlenstoffmonoxid weit unterschritten.
Dass Pforzheim in Sachen Kohleausstieg und Klimaschutz vorangeht, freut auch den Oberbürgermeister der Stadt, Peter Boch: „Es ist großartig, schon heute verkünden zu können, aus der Kohleverbrennung ausgestiegen zu sein. Lange vor dem von der Bundesregierung gesetzten Zieljahr 2038 schaffen es die Stadtwerke Pforzheim und unsere Stadt somit, diese schwierige Aufgabe zu meistern. An dieser Stelle möchte ich meinen herzlichen Dank an die Stadtwerke Pforzheim richten, die mit einer großen Weitsicht wichtige Investitionen für die Zukunft der Stadt getätigt haben.“ Zeitgleich zeige sich wieder einmal der besondere Charakter des Wirtschaftsstandorts Pforzheim, denn wichtige Spezialteile der Gasmotoren wurden nur einen Steinwurf entfernt vom HKW bei der ortsansässigen Firma Witzenmann gefertigt.
Das grüne Kraftwerk im Herzen Pforzheims – technisch auf dem höchsten Stand
Gemeinsam mit dem Biomasseblock sind die SWP damit gut gerüstet, um die Pforzheimer:innen warm und umweltschonend durch den nächsten Winter zu bringen. Hervorzuheben ist außerdem die begrünte Fassade, die das neue Kraftwerk optisch in den Enzauenpark einbinden soll.
Gleichzeitig können die Gasmotoren kurzfristig hohe Stromnachfragen abfangen und stabilisieren somit das gesamte Stromnetz – besonders in schattigen oder windstillen Zeiten, wenn an anderer Stelle zu wenig eingespeist wird. Die Motoren passen durch ihr hohes Maß an Flexibilität somit optimal in das momentane energiewirtschaftliche Umfeld.
Vollautomatisiert erkennt eine moderne Software steigende Nachfragen und reagiert flexibel auf Schwankungen auf dem Markt oder im Netz. Damit setzen die SWP auf eine digitalisierte und auch wirtschaftlich nachhaltige Energiewende.
Natürlich stellen die neuen Gasmotoren einen wichtigen Schritt in Richtung CO2-Einsparung dar. Für Herbert Marquard bedeutet dies jedoch nicht, dass sich die SWP nun zurücklehnen können: „Klar ist, dass wir nun nicht die nächsten einhundert Jahre fossiles Erdgas verfeuern. Der Umstieg auf Erdgas ist in erster Linie ein Schritt, um die CO2-Emmissionen kurzfristig zu reduzieren. Allerdings beobachten wir die Entwicklungen in der Energiebranche sehr genau. Eine sukzessive Einsparung an Kohlenstoffdioxid ist nur der Anfang – eine vollkommene Dekarbonisierung das ausgeschriebene Ziel. Langfristig möchten wir unsere Motoren daher entweder mit CO2-neutralem Methangas – als Biogas oder aus synthetischem Gas aus Power-2-Gas-Anlagen – oder grünem Wasserstoff betreiben, um wirklich klimaneutral zu werden. Das ist nicht nur technisch, sondern auch wirtschaftlich eine große Herausforderung! Allerdings bin ich sehr zuversichtlich, dass wir diesen nächsten Schritt ebenfalls bald gehen können.“
Jetzt allerdings überwiege die Freude darüber, diesen wichtigen Schritt in die richtige Richtung geschafft zu haben: „Mit den Gasmotoren haben die SWP einen wichtigen Grundstein gelegt, auf den es aufzubauen gilt. Zu diesem Zeitpunkt sparen wir schon 75 % der CO2-Emissionen gegenüber dem Jahr 1990 ein. Damit haben wir das Klimaziel für 2038 bereits heute übertroffen. Das ist sowohl für uns als auch für das Klima ein Grund zum Feiern.“, ergänzt Marquard.
Im Anschluss an das Grußwort und dem Vortrag ließen es sich die Teilnehmenden nicht nehmen, auch das Innere des HKWs zu besichtigen. Unter Führung des Bereichsleiters Erzeugung der SWP, Martin Seitz, wurden die Interessierten durch den Neubau geführt und ließen sich vom Experten technische Details und Funktionsweisen der Motoren erklären.